Manche mögen's heiß
Sie fühlen sich pudelwohl, wenn es so richtig heiß ist. Sie sind klein, winzig klein, im Mikrobereich zu finden, und sie leuchten in den schönsten Regenbogenfarben. Die Rede ist von Phosphoren. Nicht zu verwechseln mit dem Element im Periodensystem mit der Ordnungszahl 15 und dem Symbol P, dem Phosphor.
Prof. Dr.-Ing. Frank Beyrau, Leiter des Lehrstuhls für Technische Thermodynamik an der Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, und sein Team nehmen Mikropartikel dieser leuchtenden Stoffe im Projekt PHOSPHOR – Synthesis of Novel Phosphor Sensor Particles for Advanced Flame Diagnostics genau unter die Lupe. Mit ihrer Hilfe haben die Magdeburger Forscher ein neues Verfahren entwickelt, um Verbrennungsvorgänge besser analysieren zu können.
Prof. Dr.-Ing. Frank Beyrau mit Laserschutzbrillen richtet eine Kamera zur Detektion der leuchtenden Phosphor-Partikel aus.
(Foto: Harald Krieg)
Die Bezeichnung Phosphore (Plural) leitet sich aus dem englischen Wort „phosphor“ ab und steht für Leuchtstoff. Phosphore, bekannt aus Leuchtstoffröhren, Uhren mit Leuchtziffernblatt, Nachtsichtgeräten und LED-Bildschirmen, sind keramische Materialien, die nach der Beleuchtung durch einen Laser Licht abstrahlen. Leuchtfähig sind sie, weil in das keramische Wirtsmaterial Leuchtionen dotiert, also eingebracht, werden. Das können Seltene Erden wie Ytterbium oder Erbium oder Übergangsmetalle wie Chrom oder Mangan sein. Sie liegen tief im Innern und reagieren nicht auf die Umgebung, in der sich der Kristall befindet. Hängen Farbe und Leuchtdauer der Emission von der Temperatur des Wirtsmaterials ab, dann nennt die Wissenschaft sie thermografische Phosphore. Aus den verschiedenartigen Konfigurationen von Wirtsmaterial und Leuchtionen ergeben sich viele Eigenschaften, die Phosphore für die Sensorik attraktiv machen.
Den Kollegen in Princeton über die Schulter schauen
Gemeinsam mit Partnern der Princeton University in den USA möchten die Magdeburger Wissenschaftler diese Konfigurationen optimieren, mit dem Ziel, durch Synthese neuer, für die Strömungstemperaturerfassung optimierter, Phosphore den messbaren Temperaturbereich zu vergrößern. Auf einer Tagung waren die Kollegen aus Princeton auf die Arbeit von Professor Beyrau und seinem Team aufmerksam geworden und dann als Partner in das Projekt PHOSPHOR eingestiegen. Die Förderung durch das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ ermöglicht es, dass Lehrstuhlmitarbeiter Dr. Christopher Abram den Kollegen am Advanced Combustion and Propulsion Lab an der Princeton University für 18 Monate über die Schulter schauen kann. Dort werden innovative Synthesemethoden entwickelt, welche die Herstellung von Phosphor-Partikeln mit spezifischen physikalischen und optischen Eigenschaften ermöglichen. Er lernt, Phosphore unter Verwendung dieser hochmodernen Verfahren herzustellen. Die ersten eigenen Versuche von Dr. Abram brachten Beachtenswertes: Seine Phosphore zeichnen sich durch eine monodisperse Größe aus, das heißt, sie sind alle von der gleichen Größe, und sie sind schön rund, und das ist optimal für die Forschungen in Magdeburg, bei denen derzeit noch auf kommerzielle, weniger gut geeignete plättchenartige Phosphore zurückgegriffen werden muss. Nach seiner Rückkehr wird der Nachwuchswissenschaftler in Magdeburg am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik ein Labor aufbauen, in dem die neuen Materialien hergestellt, unter anderem bezüglich der Temperatursensitivität charakterisiert und für praktische Anwendungen eingesetzt werden können.
Simultan Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit erfassen
Warum nun sind die thermografischen Phosphore so spannend für die Magdeburger Forschenden? „Weil es mit ihnen erstmals möglich ist, gleichzeitig in Verbrennungssystemen die herrschenden Temperaturen und die Strömungsgeschwindigkeiten zu messen“, erklärt Professor Frank Beyrau. „In bisher etablierten Verfahren wurden entweder die Geschwindigkeit oder die Temperatur in einem System erfasst. Um aber Verbrennungsprozesse in Motoren oder Gasturbinen endgültig verstehen und somit auch optimieren zu können, müssen die während der Verbrennung ablaufenden Prozesse simultan erfasst werden.“ In Gasturbinen, beispielsweise in Flugzeugtriebwerken, werden die Flammen sehr heiß. Trotz extrem hitzebeständiger Materialien halten die Bauteile Temperaturen von weit über 1.000 Grad Celsius oft nicht ohne zusätzliche Kühlung aus. Deshalb werden in die Brennkammerwände und Turbinenschaufeln kleine Löcher eingebracht, um kalte Luft einströmen zu lassen, die sich zur Kühlung wie ein Film auf die Bauteile legt, Effusionskühlung ist der Fachbegriff.
Wie dick ist der Film? Wo zieht er hin? Wie mischt er sich mit den heißen Verbrennungsgasen? Diese Fragen beschäftigen die Wissenschaftler. Den Luftstrom in seiner Kühlwirkung zu optimieren, ist nicht trivial. Ihn zu analysieren, haben Professor Beyrau und sein Team nun die Messmethode entwickelt, in der mithilfe von Phosphor-Partikeln simultan Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit erfasst werden können. Winzige Phosphor-Teilchen werden im Brennraum relativ gleichmäßig verteilt. Mit einem kommerziellen Laser können sie zur Phosphoreszenz, zum kalten Leuchten, angeregt werden. Die Farbe und die Dauer des Leuchtens hängen von der Temperatur der Phosphor-Partikel ab. Sie leuchten im sichtbaren Spektralbereich, nicht ultraviolett oder infrarot. Um die Farbveränderungen zu erfassen, ist deshalb keine besondere Spezialkamera nötig. Da die Partikel so winzig klein sind, reagieren sie sehr schnell auf Änderungen ihrer Umgebungstemperatur und auch auf Änderungen der Strömungsgeschwindigkeit des sie umgebenden Fluids. Das ist eine gängige Methode. „So können wir die Partikel, mit denen wir die Strömungsgeschwindigkeit erfassen, bequemerweise gleich auch als Temperatursensoren nutzen“, erläutert Professor Beyrau. „Wir haben also an das standardisierte Verfahren der Geschwindigkeitsmessung mithilfe von funktionalisierten Mikropartikeln die Temperaturmessung angedockt. Ein Partikel für zwei Messungen.“
Die Phosphor-Sensoren sind unheimlich breit einsetzbar, beispielsweise in der Automobilindustrie, um die Kühlung des Motors zu verfolgen. Durch das Aufheizen der Motorbauteile geht sehr viel Energie verloren. Die Bauteile, an denen besonders viel Wärmeübertragung passiert, könnten durch Keramikbeschichtungen, sogenannte thermische Barrieren, wie sie bereits in den Turbinenschaufeln der Flugzeuge üblich sind, geschützt werden. Um herauszufiltern, an welchen Bauteilen eine Beschichtung sinnvoll ist, kann die simultane Temperatur- und Strömungsgeschwindigkeitsmessung zum Einsatz kommen. Nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Lehrstuhl nutzen die neue Messmethode, um unter anderem Wärmeübertragungsprozesse zu untersuchen oder die optimale Zerstäubung von Kraftstoff vor der Verbrennung herauszufinden.
Tuning der phosphorischen Eigenschaften
Ein neues Forschungsfeld hat sich für die Wissenschaftler zudem in biologischen Anwendungen aufgetan. Kooperationspartner fanden sie am Institut für Molekulare und Klinische Immunologie der Universität Magdeburg. „Bei Messungen in biologischen Systemen kommen wir sehr schnell in den Nanobereich“, sagt Professor Beyrau und gibt einen Ausblick in zukünftige Forschungsaufgaben. „Mit diesen noch kleineren Partikeln könnten wir in immer kleineren Systemen messen, beispielsweise in Zellen oder auf Computerplatinen. Dafür gibt es momentan kein physikalisches Thermometer. Mit robusteren Phosphoren könnten wir in höheren Temperaturbereichen messen, beispielsweise direkt in der Flamme. Und auch die Leuchtkraft der Partikel möchten wir erhöhen. Dafür müssen wir herausfinden, welche Kombination aus Wirtsmaterial und Leuchtionen bei höheren Temperaturen sinnvoll ist.“ All diese Eigenschaften möchten die Magdeburger Wissenschaftler im Projekt PHOSPHOR so tunen, dass sie ideal für ihre Untersuchungen werden. Die Forschungsergebnisse werden neue Messmöglichkeiten für die angewandte und Grundlagenforschung liefern und zur Verbesserung des Designs von Antrieben in der Automobil- und Flugzeugindustrie beitragen. „Die neuartigen Materialien werden auch in der Beleuchtungs- und Displaytechnologie oder als biologische Sensoren Verwendung finden. Sie können aber auch zur Untersuchung von Phänomenen, wie sie in Meeresströmungen oder in Magmabewegungen unter dem Erdmantel auftreten, genutzt werden. Die Einsatzmöglichkeiten der Phosphor-Sensoren sind von einer geradezu unendlichen Bandbreite.
Wussten Sie schon das...
... Lumineszenz das Aussenden von Licht nach vorangegangener Anregung durch Energieaufnahme ist? Also, wenn ein Elektron aus einem Zustand der höheren Energie in einen Zustand der niedrigen Energie wechselt. Dabei wird überschüssige Energie als „kaltes Licht“ abgegeben. Übrigens ist Lumineszenz abgeleitet vom lateinischen „lumen“ für „Licht“. | |
... sich der Begriff Keramik aus dem altgriechischen „keramos“, der Bezeichnung für Ton, ableitet? Keramiken werden aus anorganischen, feinkörnigen Rohstoffen und Wasser geformt und anschließend in einem Brennprozess bei hohen Temperaturen gesintert. Manche mögen's heiß, wie es der Titel des Filmklassikers nicht nur Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon verheißt. Ein bedeutendes Einsatzgebiet sind sogenannte Heißanwendungen in Brennsystemen oder der Ofenbau, bei denen Temperaturen bis 2.500 Grad Celsius auftreten können. |
Quelle: OvGU