Rechnen mit Unsicherheiten: vom Punkt zur Verteilung
Ingenieurtechnische Berechnungen verwenden im allgemeinen Punktwerte als Eingabe.
Ein Auto mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h legt in einer Minute 1,66 km zurück.
Solange die Einganggrößen der Berechnung exakt bekannt sind und eine eindeutige Beziehung zwischen den Größen besteht ergibt sich genau wieder ein Wert als Ergebnis.
Wird die Geschwindigkeit jedoch gemessen, können Abweichungen auftreten, die zum Beispiel durch ±10% angeben werden. Damit werden aus der einen Geschwindigkeit zwei: 90 km/h und 110 km/h. Dasselbe gilt für das Ergebnis: 1,50 km und 1,83 km oder 1,66 km ±10%.
Treten bei beiden Eingangsgrößen Abweichungen auf, so erweitert sich die Anzahl der möglichen Ergebnisse auf vier: Der wahre Wert liegt also zwischen 1,43 km und 1,93 km.
Durch eine höhere Anzahl von Eingangswerten und kompliziertere mathematische Beziehungen zwischen den Werten lässt sich die Auswirkung der Abweichungen nicht mehr direkt vorhersehen, wie bei obigem Beispiel.
Der nächste Schritt bei der Betrachtung von Unsicherheiten ist der Übergang zur Verwendung von Verteilungen anstelle der Extremwerte. Im einfachsten Fall ergibt sich die Gleichverteilung; die Geschwindigkeit könnte jeden Wert zwischen 90 km/h und 110 km/h annehmen, der Mittelwert ist wieder 100 km/h.
Es werden zwei grundlegende Fälle unterschieden:
- diskrete Verteilungen: Der Wertebereich wird in eine abzählbare Menge gleichgroßer Abschnitte unterteilt; hier zum Beispiel 1 km/h, es ergeben sich dann 21 Werte zwischen 90 km/h und 110 km/h (90,91,92,93,94,…,106,107,108,109,110).
- kontinuierliche (stetige) Verteilungen: Die Größe nimmt jeden Wert im Wertebereich an; die Größe muss durch eine Funktion dargestellt werden.
Der entscheidende Unterschied durch dieses erweiterte Konzept lässt einfach anhand der Sinusfunktion erklären. Angenommen die betrachtete Größe hat einen Mittelwert von 0 und kann Werte zwischen ±2Π annehmen. Der Funktionswert ist für den Mittelwert und die beiden Extremwerte jeweils null, nimmt dazwischen jedoch alle Werte zwischen -1 und +1 an.
Während es im diskreten Fall theoretisch möglich wäre die Rechnung entsprechend dem anfänglichen Beispiel durchzuführen, erfordert die Verwendung kontinuierlicher Verteilungen eine andere mathematische Behandlung des Problems. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Monte-Carlo-Methode. Bei dieser wird für jeden verteilten Eingangsparameter zufällig ein Wert (Realisation) ausgewählt und mit diesen die Berechnung durchgeführt. Dieser Vorgang wird sehr oft wiederholt, sodass entsprechend der Anzahl der Wiederholungen (Spiele) Ergebniswerte entstehen. Das Ergebnis der Berechnung lässt sich wiederum nur als Verteilung darstellen.
Dieses Verfahren wird zum Beispiel bei der Simulation eines regenerativen Energieversorgungssystems ohne Anbindung an des Stromversorgungsnetz verwendet. Hierin sind unter anderem das Wetter (Einfluss auf die Stromerzeugung mit Windkraft und Fotovoltaik) und der Verbrauch unsichere Größen, die über Verteilung dargestellt werden. Als Ergebnis erhält eine Aussage darüber, in wie vielen der untersuchten Fälle das System nicht in der Lage ist, den Bedarf des Verbrauchers zu decken.